Interview mit Christiane Rühle (Dr. phil.)
Ein erstes Gespräch habe ich mit Christiane Rühle geführt; sie hat die Fächer Japanologie und Politologie an der Goethe-Universität Frankfurt studiert und nach dem Magister eine Promotion angeschlossen.
Als promovierte Japanologin gibt uns Dr. Rühle Ratschläge für die Studienzeit sowie Hinweise für das Studium in Japan und für den Einstieg ins Berufsleben. Ihre Forschungen befassen sich mit der japanischen Konsumkultur, genauer mit Werbung und Marken im gegenwärtigen Japan sowie mit der japanischen kyara– oder Maskottchenkultur.
Vor kurzem erschien ihre Dissertation als Buch unter dem Titel: „Markeninszenierung in Japan. Zur narrativen Konstruktion der Lifestyle-Marken »Muji« und »Uniqlo«“.
1. Die Profilbildung ist für einen Studenten sehr wichtig, was hat Ihnen dabei geholfen? Wie kamen Sie auf Japan?
Zu Beginn meines Studiums hatte ich mir ein Semester Zeit gegeben, um herauszufinden,
ob die ausgesuchten Hauptfächer (Japanologie & Politologie) wirklich das
waren, was ich mir vorstellte. Nur weil ich etwas als Hobby gut fand, war ich
mir nicht ganz sicher, ob es auch ein Studium sein sollte. Ich bin daher zwar
gespannt auf die neuen Themen, aber auch relativ entspannt in den neuen
Lebensabschnitt gestartet. Allerdings war mir dann gleich nach der ersten Woche
klar, dass ich mich richtig entschieden hatte. Das vielfältige thematische
Angebot an Seminaren und Arbeitsgemeinschaften der Japanologie hatte mir
letztendlich geholfen, Einblick in verschiedenste Bereiche zu erhalten und so
zu sondieren, in welche Richtung es langfristig gehen könnte.
2. Was denken Sie: Ist es wichtiger, eine eigene Nische zu haben oder ein eher breit angelegtes japanwissenschaftliches / wissenschaftliches Profil auszubauen?
Das kommt ganz darauf an, was Ihr Ziel ist. Bleiben Sie in der Wissenschaft, ist es auf kurz oder lang eher unumgänglich, sich auch ein sehr spezifisches Profil anzulegen und Themen, so gut es geht, in der Wissenschaftsgemeinde für sich zu „claimen“. Natürlich kann man aber erst Spezialist werden, wenn man eine möglichst umfassende generalistische Grundlage besitzt und sich von dort in ein Spezialgebiet einarbeitet. In der Praxis können einige mit dem Titel „Japanologe“ erstmal nicht so viel anfangen, aber nur aufgrund der Tatsache, dass man nicht automatisch auch einen konkreteren Beruf damit verbinden kann (wie z.B. Arzt oder Jurist). Hier wird man daher oft als hybrides Wesen wahrgenommen, auf der einen Seite als Spezialist (Japan), auf der anderen Seite als Generalist (Kulturwissenschaften). Hier ist man dann selbst in der Pflicht dafür zu sorgen, wie man wahrgenommen werden möchte; was auch absolut davon abhängt, ich welcher Branche Sie sich bewegen werden.
3. Kontakte gelten als etwas Unverzichtbares; wie wichtig waren persönliche Beziehungen für das, was Sie heute machen?
Das stimmt. Ich arbeite für ein großes Alumni-Netzwerk und sehe täglich, wie elementar Kontakte sein können. Fangen Sie früh an, sich ein Netzwerk anzulegen und diese Kontakte auch zu pflegen (nicht nur zu „sammeln“)! Ein Profil in einem beruflichen Netzwerk kann hierbei nützlich sein. Mir haben persönliche Beziehungen durch thematische Impulse sehr dabei geholfen, eine berufliche Richtung einschlagen zu können.
4. Können Sie eine Empfehlung geben, wie man im Studium (und später) am besten Kontakte knüpft?
Engagieren Sie sich, d.h. nehmen Sie auch außercurriculare Angebote wahr. Die Uni Frankfurt hat z.B. ein facettenreiches Workshopangebot (im Rahmen dessen Sie auch kostenlos Bescheinigungen und Zertifikate erwerben können wichtig für Bewerbungen!), besuchen Sie interessante Vorträge oder Veranstaltungen, nehmen Sie an Arbeitsgemeinschaften teil, helfen Sie bei Organisationen etc. Und unterschätzen Sie bitte nicht das beste und wahrscheinlich langfristigste Netzwerk, dass Ihnen jetzt schon „automatisch“ zugänglich ist: Ihre Kommilitonen!
5. Inwiefern haben Sie außeruniversitäre Arbeiten beeinflusst?
Erst indem man Inhalte praktisch erfährt oder anwendet (und nicht nur darüber liest), kann man entscheiden, ob diese etwas für einen sind. Oder eben auch nicht. Dafür sind Praktika sehr gut geeignet. Wenn Sie schon wissen, dass Sie unbedingt in eine spezifische Richtung gehen möchten, suchen Sie sich während Ihres Studiums einen passenden Praktikumsplatz.
6. Zu welchem Zeitpunkt wussten Sie, welche Richtung Sie später einmal einschlagen möchten?
Gegen Anfang des Studiums war die Zeit, sich inhaltlich auszuprobieren, gegen Ende hatte ich eine Vorstellung, wohin es gehen könnte. Generell gilt: Wenn man schon früh ein konkretes Ziel für sich formuliert, hat man mehr Zeit, um es verfolgen/realisieren zu können; aber verlieren Sie nicht Ihre Flexibilität. Manchmal tun sich fernab vom „geraden Weg“ sehr gute Chancen auf, die man ergreifen sollte. Das hat sich auf jeden Fall bei mir als sehr hilfreich erwiesen.
7. Können Sie auch heute noch von den Grundlagen Ihres Studiums einen Nutzen ziehen?
Definitiv. Meine ganze Art und Weise des Arbeitens ist durch mein Studium beeinflusst worden, auch wenn ich mit dem Thema Japan beruflich nichts zu tun habe. Projekte aufzusetzen, zu strukturieren und durchzuziehen oder komplexe Problemstellungen zu erfassen und Lösungen dafür zu finden, das alles wurde maßgeblich dadurch geprägt, was das Studium der Japanologie von mir verlangt hat.
8. Was war das Wichtigste, was Sie im Verlauf Ihres Studiums gelernt haben?
Nutzen Sie jede Chance, nach Japan zu kommen und dort einige Zeit zu verbringen; ob im Urlaub oder, noch wichtiger, für Studium/Forschung oder Praktika. Suchen Sie sich passende Angebote und Stipendien heraus, bewerben Sie sich und leben Sie in dem Land, das Sie studieren.
9. Hätten Sie rückblickend während Ihrer Studienzeit gerne etwas anders gemacht?
Ich hätte während meiner Studienzeit gerne mehr Zeit in Japan verbracht.
10. Sie haben ja schon öfter die Gelegenheit gehabt, in Japan forschen zu können – inwiefern hat Sie das in Ihrem Werdegang beeinflusst?
Zunächst waren die Aufenthalte einzigartige Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Außerdem konnte ich dadurch überhaupt erst eines meiner Ziele realisieren: zu promovieren.
11. Konnten Sie Ihre persönlichen Interessen bzw. die Japanthematik in Ihr aktuelles Beschäftigungsfeld miteinbeziehen?
Beruflich habe ich interessanterweise, außer während meiner Zeit an der Uni bzw. innerhalb meiner Promotion, nichts mit Japan zu tun gehabt. Aber ich habe immer ein Auge drauf, denn öfters kommt es vor, dass ich durch den japanwissenschaftlichen Hintergrund entscheidende thematische Impulse bekomme (z.B. ein Thema für einen Artikel o.ä.).
12. Was würden Sie Japanologie Studierenden heute raten bzw. mit auf den Weg geben wollen?
- Rat 1: Lernen Sie die Kanji und Vokabeln gut.
- Rat 2: Versuchen Sie, so früh es im Studium möglich ist, so lange wie möglich nach Japan zu gehen.
Und wer noch Lust auf einen ausufernden, gar philosophischen Rat hat, dem sei Folgendes ans Herz gelegt:
Setzen Sie sich mal in Ruhe hin und versuchen Sie zunächst, Ihre Ziele zu formulieren (falls Sie es nicht schon getan haben bzw. Ziele verändern sich im Laufe des Lebens. Ziehen Sie gegebenenfalls eine Zwischenbilanz).
- – Was möchte ich beruflich/privat wirklich erreichen und/oder wie/wo lässt sich das Ganze logisch verknüpfen (Möchte ich später etwas mit Japan zu tun haben? Wenn ja, in welchem Bereich? Reicht es mir als Hobby? Möchte ich einen klassischen Berufsweg ohne Umwege oder bin ich auch bereit für Umwege? Möchte ich in die Wissenschaft oder in die freie Wirtschaft (welche Branche?)? Was bedeutet für mich „Sinnhaftigkeit“ und welche Rolle soll das in meinem Beruf spielen? usw.)
Halten Sie das Ganze irgendwie fest, ob als ausformulierten Text, Bulletpoints, Mindmaps, lustige Meme-Collage (die möchte ich dann aber gerne sehen! 😉) oder was auch immer. Eventuell sehen Sie schon, welches Thema nämlich eigentlich dahintersteckt bzw. welche Frage Sie sich danach beantworten können: „Was bedeutet Erfolg für mich?“. Wenn Sie das für sich definiert haben, können Sie schneller Entscheidungen treffen, und Ihnen wird vieles leichter fallen.