Interview mit Elena Müller, M.A.
Die nächste Interview-Partnerin in der Reihe ist Elena Müller (ehem. Hilgenberg), die seit Sommersemester 2023 die Japanologische Abteilung der Bibliothek Sprach- und Kulturwissenschaften (BSKW) betreut. Nachdem Frau Müller 2012 ihren BA-Abschluss an der Japanologie Frankfurt absolviert hatte, stieg sie zunächst für eine Weile in die Berufswelt ein. 2022 erwarb sie dann, ebenfalls an unserem Institut, ihren MA Abschluss zum Thema „Überleben im Atomzeitalter – das Atomare und dessen erzählerische Vermittlung in den literarischen Texten Ôe Kenzaburôs.“ Im Gespräch berichtet sie von ihrem Studium sowie ihrem beruflichen Werdegang und der Arbeit in der Bibliothek.
1. Zurzeit arbeiten Sie in der Bibliothek Sprach- und Kulturwissenschaften (BSKW). Können Sie uns etwas über Ihre Aufgaben und Beschäftigungsbereiche verraten?
Inwiefern sind Ihnen dabei die Grundlagen Ihres Japanologie-Studiums von Nutzen?
Seit April 2023 bin ich in der BSKW hauptsächlich als Ansprechpartnerin für den Teilbestand der Japanologie tätig. Das heißt, dass zum einen die Organisation und Verwaltung der Medieneinheiten, wie zum Beispiel die Katalogisierung, die Signaturvergabe und die physische Bereitstellung am Regal, zu meinen Aufgaben gehören, ich zum anderen aber auch die Ansprechpartnerin für alle diesen Medienbestand betreffenden Fragen bin – und zwar sowohl für das Institut, die Nutzenden als auch für andere Bibliotheken. Gleichzeitig habe ich natürlich Aufgaben, die die BSKW als Ganzes betreffen, unter anderem den Dienst an der Infotheke oder Bibliotheksführungen.
Von ganz grundlegender Bedeutung sind für mich dabei selbstverständlich die Sprachkenntnisse, die ich während des Japanologie-Studiums vermittelt bekommen und im Selbststudium und durch einen Auslandsaufenthalt vertieft habe. Schließlich müssen zu einem beachtlichen Teil Medien in japanischer Sprache katalogisiert und auch inhaltlich an der richtigen Stelle im Regal aufgestellt werden. Aber auch abgesehen von den Sprachkenntnissen hat mir mein Studium wichtige Fähigkeiten im Umgang mit (wissenschaftlicher) Literatur im Allgemeinen vermittelt: Wie lässt sich ein Text thematisch einordnen? Wo würde jemand suchen, der Literatur zu einem bestimmten Thema sucht?
2. Wie haben Sie zu der Kombination aus Japanologie und Bibliothekswesen gefunden?
Eigentlich durch Zufall, denn ich bin als Quereinsteigerin in diesen Beruf gekommen. Zuvor habe ich in der Öffentlichkeitsarbeit, der Passagierbetreuung sowie in der Flugabfertigung gearbeitet. Eine starke Affinität zu Texten – in welcher Form auch immer – hatte ich aber mein Leben lang. Heutzutage sind Quereinsteiger in vielen Bereichen willkommen. Wenn man bereit ist, sich eventuell fehlende Kenntnisse teils in Eigenregie anzueignen, sollte man nicht zögern, sich um Stellen zu bewerben, die einen persönlich ansprechen. In meinem Fall sollte die Stelle des/r für den Teilbestand der Japanologie zuständigen Bibliothekars/Bibliothekarin nach dem Umzug der Bibliothek ins neue Gebäude auf dem Campus Westend neu besetzt werden, also habe ich mich auf die Stelle beworben.
3. Wie konnten Sie die Kenntnisse im Bereich Bibliothekswesen erwerben?
Natürlich gibt es interne Schulungen, die zum Beispiel Kenntnisse im Bereich der Katalogisierung oder Signaturvergabe vermitteln. Durch Fortbildungen können dann spezifischere Fähigkeiten – Digitalisierung, Konfliktlösung, Buchreparaturen etc. – abgedeckt werden. Vieles lernt man aber auch im Arbeitsalltag von Kollegen und Kolleginnen oder durch learning by doing.
4. 2022 haben Sie Ihre Masterarbeit zum Thema „Überleben im Atomzeitalter – das Atomare und dessen erzählerische Vermittlung in den literarischen Texten Ôe Kenzaburôs“ eingereicht. Wie gestaltete sich hierbei Ihre Themenfindung? Hatte Ihre literaturwissenschaftliche Arbeit Einfluss auf Ihren erfolgreichen Berufseinstieg?
Neben einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Texten verschiedener japanischer Autorinnen und Autoren habe ich mich im Studium mit dem Aspekt deren erzählerischer Vermittlung, der Narratologie, beschäftigt. Die japanische Sprache bietet teilweise nun mal ganz andere Möglichkeiten als zum Beispiel die deutsche, und die Frage, welcher Mittel und Methoden sich japanische Schriftsteller bedienen, um ihre Themen dem Lesepublikum zu vermitteln, fand und finde ich sehr spannend. Ôe Kenzaburô, der häufig als „Altmeister der Atomkritik“ oder „Gewissen seines Landes“ bezeichnet wird, hat seine Sicht des Atomaren und dessen Opfer auch in seine Romane und Erzählungen einfließen lassen. Diese aus erzähltechnischer Sicht auch anhand von noch nicht ins Deutsche übersetzten Texten zu untersuchen, habe ich als sehr lohnenswert empfunden. Einen direkten Einfluss auf meinen Berufseinstieg hatte diese Arbeit zwar nicht, aber eine Affinität zum Lesen, Analysieren und Abfassen von Texten erleichtert in vielen Berufen durchaus den Arbeitsalltag oder ist für diesen sogar unentbehrlich.
5. Was denken Sie: Ist es im Japanologiestudium wichtiger, eine eigene Nische zu haben oder ein eher breit angelegtes japanwissenschaftliches / wissenschaftliches Profil auszubauen?
Sich thematisch einzugrenzen ist meiner Meinung nach Chance und Risiko zugleich. Da das Bachelor/Master-System Studierenden nicht sonderlich viel Zeit lässt, sich breit gefächerte und tiefer gehende Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen, muss man leider oft genug Abstriche machen. Legt man sich auf ein Themengebiet fest, kann man es gründlicher bearbeiten und sich ein „Expertenwissen“ aufbauen. Ein weiter gespanntes japanwissenschaftliches Profil hilft aber sehr dabei, Zusammenhänge zu erkennen und die Fachinhalte aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Letzten Endes muss man abwägen: Eine gute Kombination aus beidem ist eine gute Lösung. Dennoch sollte man sich schon während des Studiums – oder davor – die Frage stellen, in welche Richtung, und sei es auch erst einmal nur eine ungefähre – man später gehen möchte. Dabei ist es hilfreich, Angebote wie Workshops, Vorträge, Tagungen – und die Bibliothek! – zu nutzen, um sich Anregungen zu holen.
6. Was hat Ihnen bei der Profilbildung während des Studiums geholfen?
Ich habe sehr viel gelesen und dabei Themen entdeckt, die mich interessieren und die ich weiterbearbeiten wollte. Im Jahr 2010 traute ich mich dann, die Tagung „Phantastik aus Japan“, die in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar stattfand, zu besuchen und war aufs Neue begeistert von der Vielfalt japanischer Literatur. Mir war von Anfang an wichtig, für alles offen zu sein und mich inspirieren zu lassen. Auch wenn man bereits Themen für sich ausgemacht hat, so sollte man sich den Inhalten seines Faches im Allgemeinen nicht verschließen, denn – wie gesagt – sie helfen sehr dabei, Zusammenhänge zu sehen. Meine Empfehlung lautet daher, möglichst viel „mitzunehmen“ und sich auf dieser Grundlage mit der Zeit ein eigenes Profil aufzubauen.
7. Können Sie ein paar Hinweise zum Thema Praktika geben und inwiefern Sie außeruniversitäre Tätigkeiten beeinflusst haben?
Um ehrlich zu sein war das Studium für mich zeitlich sehr herausfordernd, sodass ich es schwierig fand, während dieser Zeit ein umfangreicheres Praktikum zu absolvieren. Ich entschied mich daher für mehrere kleinere praktische Einblicke, wie zum Beispiel durch die Mitarbeit bei Workshops oder Tagungen. Allerdings bekommt man tatsächlich erst durch praktische Erfahrungen einen realistischeren Blick auf Bereiche, in denen japanologische Kenntnisse tatsächlich zum Einsatz kommen (können). Da man als Studierender häufig ohnehin darauf angewiesen ist, neben dem Studium zu arbeiten, ist es nicht verkehrt, sich dafür bei Unternehmen oder Institutionen umzusehen, bei denen man sich eine spätere berufliche Tätigkeit vorstellen kann. Ich habe während des Studiums, vor allem im späteren Verlauf, fast durchgängig gearbeitet und kann daher jetzt sagen, in welchen Bereichen ich arbeiten möchte – und welche für mich nicht mehr in Frage kommen und warum.
8. Zu welchem Zeitpunkt wussten Sie, welche Richtung Sie später einmal einschlagen möchten?
Dass ich mir eine wissenschaftliche Karriere eher weniger zutraue, wusste ich bereits ziemlich früh im Studium. Was die berufliche Orientierung angeht, so wusste ich aber eigentlich nie genau, wo ich später gern arbeiten würde. Allerdings bin ich durchaus der Meinung, dass man sich auch den „Versuch und Irrtum“ erlauben dürfen soll. Oftmals treten die Vor- und Nachteile eines Jobs nämlich erst dann deutlich zu Tage, wenn man bereits angefangen hat zu arbeiten. Dennoch kann ich allen Studierenden nur empfehlen, sich wenigstens darüber Gedanken zu machen, welche Art von Aufgaben sie einmal gerne machen würden: Möchte man mit Menschen arbeiten, Texte schreiben oder unterrichten? Oder vielleicht etwas ganz anderes? Das hilft später bei der Orientierung.
9. Was war das Wichtigste, das Sie im Verlauf Ihres Studiums gelernt haben?
Immer dabeizubleiben und nicht gleich aufzugeben, auch wenn es mal schwierig wird. Das Erlernen der Kanji ist ein gutes Beispiel dafür: Es kostet viel Zeit und Mühe, aber die Kultur, die sich einem ein Stück weit mehr öffnet, wenn man den Zugang zu ihren Originaltexten gewinnt, macht das wieder wett.
10. Hätten Sie rückblickend während Ihrer Studienzeit gerne etwas anders gemacht?
Das vielleicht nicht, aber ich hätte gerade im Bachelorstudium auf jeden Fall gern mehr Zeit gehabt, das japanologische Handwerkszeug gründlicher und systematischer zu lernen. Damit meine ich vor allem die Sprache, aber auch Grundlagentexte.
11. Was möchten Sie Japanologie-Studierenden heute mit auf den Weg geben?
Es ist vollkommen in Ordnung, nicht alles gleich zu können und auch nicht sofort sagen zu können, wo die Reise hingehen soll. Dranbleiben und nicht aufgeben, wenn man sich einer Aufgabe mal nicht recht gewachsen fühlt, über den Tellerrand schauen, sich begeistern lassen und sich selbst immer wieder kritisch fragen, was man sich für seine Zukunft so vorstellt. Gestalten Sie ihr Studium aktiv mit, setzen Sie sich mit den Inhalten auseinander und haben Sie Spaß daran!
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