Interview mit Marlen Heislitz, M.A.
Ein zweites Gespräch habe ich mit der Absolventin Marlen Heislitz, M.A. geführt.
Marlen Heislitz erwarb ihren Bachelor-Abschluss an der Japanologie Frankfurt zum Thema „Begrünung der Betonwüste – Institutionelle und private Strategien des Urban Gardenings in der Metropole Tôkyô“ (2014); die Arbeit liegt als Band 8 der Reihe Frankfurt Working Papers on East Asia vor.
Von Sommersemester 2013 bis Wintersemester 2017/2018 arbeitete sie im Bereich japanische Literatur und Kultur an der Japanologie, wo sie bei der Publikation von Forschungsergebnissen half. Ihren Masterabschluss erhielt sie im Fach Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie.
Seit Januar 2018 ist Marlen Heislitz bei einem bekannten Unternehmen des Buchhandels in Frankfurt tätig.
1. Die Profilbildung während des Studiums ist für Studierende sehr wichtig, was hat Ihnen dabei geholfen?
Ich war die erste in meiner Familie, die sich für ein Studium entschlossen hat. Daher war es für mich sehr wichtig, erst einmal in Ruhe mit der Institution Universität vertraut zu werden. Das hat schon seine zwei bis drei Semester gedauert.
Zuvor hatte ich bereits ein paar Jahre Vollzeit gearbeitet. Meine Entscheidung zu kündigen und dann zu studieren, traf ich tatsächlich mit der Anleitung eines Coaches. In diesem Coaching habe ich auch meine Fachwahl eingegrenzt und bin bei den Japan- und Kulturwissenschaften gelandet. Das ist natürlich ein sehr individueller Weg.
Ich kann nur empfehlen, sich Zeit zu lassen und dann nachzuspüren: Ist das etwas, womit ich mich länger beschäftigen möchte? Empfinde ich Freude bei dem was ich hier tue? Das alles konnte ich bei der Japanologie – der Themenvielfalt, den Lehrenden, den KommilitonInnen – bestätigen und wusste dann, dass ich den „langen Atem“ für das Studium aufbringen kann.
2. Zu welchem Zeitpunkt wussten Sie, welche thematische Richtung Sie im Studium einschlagen möchten?
Ich denke, das hat sich ungefähr im dritten Semester ergeben. In den literatur- und geschichtswissenschaftlichen Seminaren erschlossen sich für mich immer mehr Anknüpfungspunkte zu meinem Nebenfach der Kulturanthropologie. Und da dieses sich primär mit Gegenwartsentwicklungen beschäftigt, ließen sich Haupt- und Nebenfach vor allem in der Analyse zeitgenössischer japanischer Romane wunderbar verbinden. Die Themen der SchriftstellerInnen aus dem Japan unserer Zeit vermittelten wichtige Einblicke in globale Kulturen.
3. Was denken Sie: Ist es wichtiger, eine eigene Nische zu haben oder ein eher breit angelegtes japanwissenschaftliches / wissenschaftliches Profil auszubauen?
Das kommt immer darauf an, was man sich vom Studium verspricht. Wird eine akademische Karriere oder ein bestimmtes Berufsziel wie z.B. ÜbersetzerIn angestrebt, ist eine Spezifizierung sicherlich von Vorteil.
Für mich bot das Studium neben der tiefen thematischen Beschäftigung mit verschiedenen Phänomenen eine Möglichkeit der Persönlichkeitsentwicklung. Daher habe ich mich natürlich thematisch eingegrenzt, aber immer eher ein möglichst umfassendes Profil angestrebt. Ich wollte einfach so viel an Wissen mitnehmen, wie ich konnte.
4. Der Berufseinstieg stellt für viele Studierende heute eine Herausforderung dar; wie bereitet man sich am besten darauf vor?
Fristen einhalten, Probleme identifizieren und durchdenken, präzise verbalisieren – gerade die Geisteswissenschaften vermitteln ständig Kompetenzen, die am Arbeitsplatz produktiv eingebracht werden können.
Es bietet sich an, diese erlernten Fähigkeiten für andere zu abstrahieren: Wenn ich eine Hausarbeit über japanische Stadtplanung in der Edo-Zeit schreibe, kann ich das vielleicht nicht direkt einem Arbeitgeber als Pluspunkt verkaufen. Jedoch die dahinterliegende Arbeit, das Einarbeiten in Quellen, wichtige Punkte aus einer Fülle an Informationen destillieren und diese kompakt zusammenfassen zu können, das ist es, was für Arbeitgeber interessant ist.
5. Kontakte gelten als etwas Unverzichtbares; wie wichtig waren persönliche Beziehungen für das, was Sie heute machen?
In meinem Job greife ich immer noch auf einige Kontakte meiner Studienzeit zurück, ob es um einfachen Austausch oder sogar kleine Arbeitsaufträge geht. Spezifisch auf Kontakte zurückführen kann ich meine heutige Anstellung nicht, aber alle kleinen und größeren Beziehungen während des Studiums sehe ich als Bausteine für meine jetzige Situation. Da geht es vor allem auch um Erfahrungsaustausch.
6. Können Sie ein paar Hinweise zum Thema Praktika geben und sagen inwiefern Sie die Tätigkeiten im Praktikum beeinflusst haben?
Die Praktikums-CP habe ich erworben, indem ich ein Auslandssemester in Japan verbracht und an der dortigen Universität entsprechende Leistungen erworben habe. Als japanologische Hilfskraft war ich durch die Jahre meiner Anstellung mit redaktionellen Tätigkeiten befasst. U.a. mit der redaktionellen Arbeit am Jahresbericht des Instituts, und ich übernahm Korrekturlesungen wissenschaftlicher Publikationen – zuletzt beim Sonderheft Heisei 1989-2019. Japanische Literatur. Auch am Erstellen von Indizes in Publikationen habe ich mitgewirkt. Das alles kam mir in vielerlei Hinsicht sehr zugute für meine jetzige Arbeit.
7. Hat Ihnen der Japanologie-Abschluss dabei geholfen, sich von anderen Bewerbern positiv abzuheben?
Tatsächlich dient der Abschluss in Japanologie immer wieder einmal als Gesprächseinstieg. Durch die spezifische Ausrichtung sind Andere oft interessiert daran, wie man die Sprache erlernt hat und was die Motivation dafür war.
8. Aktuell sind Sie Mitarbeiterin in einem bekannten Frankfurter Buchverlag: Wie kamen Sie zu dieser Beschäftigung?
Gegen Ende meines Masterstudiums endeten meine beiden Verträge als studentische Hilfskraft in der Japanologie und der Kulturanthropologie. Da ich mich während meines gesamten Studiums zu einem großen Teil selbst finanzierte, musste ich dringend eine andere Stellung finden. Professor Gebhardt gab mir außerdem einen entscheidenden Anstoß: Sie sagte, dass ich nach der langen Zeit als studentische Aushilfe doch auch außerhalb der Universität wieder berufliche Erfahrungen sammeln sollte – was ja zum Glück dann gut geklappt hat: Die Ausschreibung eines Frankfurter Verlags für eine Werkstudentin passte genau in meine Themenfelder – Arbeit mit einem Content Management System, Textarbeit, Social Media betreuen. Aus diesem Job wurde nach einem halben Jahr eine Festanstellung, als eine Kollegin den Verlag verließ und ich deren Stelle besetzen konnte.
9. Können Sie uns etwas über Ihre alltäglichen Beschäftigungsfelder erzählen? Können Sie dabei immer noch aus den Grundlagen Ihres Japanologiestudiums Nutzen ziehen?
Ich arbeite seit meinem Abschluss 2018 als Mitarbeiterin in der Marketingabteilung. Ich bin als Teil der Redaktion des Buchverlags-Magazins hauptverantwortlich für Konzeption, Planung und Erstellung dieses Kundenmagazins mit einer Auflage von 50.000-60.000 Exemplaren.
Im Detail bedeutet das, dass ich mich um die Themenfindung kümmere, ich akquiriere AutorInnen, plane das Budget und erstelle einen Zeitplan, schreibe eigene und lektoriere fremde Texte und koordiniere bzw. unterstütze Satz und Layout des Magazins.
Ebenso arbeite ich bei dem Verlag im Bereich Online-Marketing, das heißt ich konzipiere und versende Mailings und erledige die redaktionelle Betreuung des Webshops. Auch im Social Media-Team arbeite ich mit.
Dabei profitiere ich immer noch aus meiner Studienzeit: ich muss meine Arbeit selbständig strukturieren und organisieren, ich muss mich mit anderen austauschen, kreative Lösungen finden und ich muss schreiben, schreiben, schreiben.
10. Was war das Wichtigste, das Sie im Verlauf Ihres Studiums gelernt haben?
Dass das Studium mehr ist als nur Fakten lernen und wiedergeben. Dass es mit der eigenen Person zu tun hat, mit der persönlichen Entwicklung, dass man Perspektiven für sein eigenes Leben, eigene Meinungen und Ansichten entwickelt. Und dass es großen Spaß macht, sich in Dinge, die einen interessieren, zu vertiefen.
11. Hätten Sie rückblickend in Ihrer Studienzeit gerne etwas anders gemacht?
Ich wäre gerne noch länger im Auslandssemester geblieben – nach einem Semester spürte ich gute Fortschritte und hätte diese gerne noch weiter ausgebaut.
12. Machen Ihnen Texte bzw. die Arbeit mit der Sprache immer noch Spaß?
Oh ja! Erst kürzlich durfte ich durch einen Zufall ein, zwei Seiten einfachen deutschen Text ins Japanische übertragen und war gleich wieder Feuer und Flamme. Ich merkte auch, dass ich noch mehr behalten habe, als ich dachte. Ab und an lese ich noch einfache Kurzgeschichten auf Japanisch, dafür brauche ich aber Zeit und Muße und vor allem mein „Ex-word“.
13. Was würden Sie Japanologie Studierenden heute raten bzw. mit auf den Weg geben wollen?
Ruhe bewahren, Lern- und Schreibgruppen bilden, mit denen man gemeinsam Kanji, Vokabeln und Geschichts-Daten lernt oder in der Bibliothek schweigend aber gemeinsam Haus- oder Abschlussarbeiten schreibt. Miteinander, statt Konkurrenz. Mit einer TandempartnerIn Japanisch und Deutsch sprechen. Und, wenn möglich, einige Zeit in Japan zu studieren oder zu verbringen.
Versuchen Sie, sich den Spaß an der Sache zu bewahren. Es lohnt sich!