Interview mit Felix Kitschke, M.A.
Der vierte Interviewpartner in der Reihe ist Felix Kitschke, M.A.; er studierte im Magister Japanologie an der Goethe-Universität Frankfurt.
Das Thema seiner Abschlussarbeit lautete: „Das Handy als Lifestyle-Objekt in Japan“. Während des Studiums absolvierte er ein einjähriges Auslandssemester an der Keiō-Universität in Japan.
Nach seinem japanologischen Abschluss besuchte Herr Kitschke die Mannheim Business School und erhielt dort im Jahr 2015 den Abschluss MBA (Master of Business Administration).
Seit 2016 ist er als Area Sales Manager (Asia) bei REA Elektronik GmBH in
Frankfurt am Main beschäftigt.
1. Die Profilbildung während des Studiums ist für Studierende sehr wichtig, was hat Ihnen dabei geholfen?
Ich hatte das Glück, das Studium ohne zeitlichen Druck absolvieren zu können. Daher konnte ich mich auf die Dinge konzentrieren, die mich interessierten, und auch drei Semester für Praktika und Auslandsaufenthalt ohne größeres Risiko absolvieren. Mehr als das Studium in der Regelstudienzeit durchzuprügeln, finde ich, dass sichtbare (Japan-)Erfahrung das Profil schärft.
Tatsächlich grenzen bereits Studienaufenthalte in Japan von der Masse ab – und später auch Arbeitserfahrung. Ich halte es sowohl aus persönlicher als auch professioneller Sicht für ein Muss, eine Weile vor Ort verbracht zu haben. Das Studium bildet zwar die Grundlage, das größere Bild zu erkennen, aber die Erfahrung vor Ort ermöglicht es, ein Fingerspitzengefühl für Feinheiten zu bekommen und damit glaubwürdiger auftreten zu können.
2. Wie haben Sie zu der Kombination Japanologie und Sales-Management gefunden?
In meiner Position ist Japan einer der Schlüsselmärkte, daher ist der Bezug zum Studium nicht schwer zu übersehen. Ferner war ich bereits in einer sehr ähnlichen Firma in Japan tätig. Für mich persönlich ist außerdem die Kombination aus dem Zwischenmenschlichen und dem Technischen und Wirtschaftlichen eine interessante und spannende Aufgabe.
3. Was denken Sie: Ist es wichtiger, eine eigene Nische zu haben oder ein eher breit angelegtes japanwissenschaftliches / wissenschaftliches Profil auszubauen?
Das hängt – denke ich – von dem ab, wo man sich selbst beruflich sieht bzw. hinbewegen will. In der Wirtschaft – so meine Erfahrung – wird oft eine Kombination aus wirtschaftlichem und japanwissenschaftlichem Wissen gesucht. Leider wird die Japan-Expertise oft verkannt, und der Fokus liegt daher eher auf dem Wirtschaftlichen (oder gar Maschinenbau). Für eine akademische Laufbahn sieht das sicherlich anders aus.
4. Der Berufseinstieg stellt für viele Studierende heute eine Herausforderung dar – wie bereitet man sich am besten darauf vor?
Zunächst sollte man offen sein. Der „Traumjob“ entpuppt sich gerne als Alptraum und auch Jobs, die anfangs unter Umständen gar nicht attraktiv klingen, können eine super Erfahrung sein und auch gute Kontakte bringen.
Dann sollten die Ziele realistisch sein. Dies gilt für beide Seiten. Am Anfang der Karriere wird man nicht für eine Position in Frage kommen, welche das Unternehmensgeschick maßgeblich beeinflusst. Umgekehrt kann eine Firma nicht verlangen, dass man mit 24 Jahren über 10 Jahre relevante Berufserfahrung verfügt und am besten nichts kostet.
Abschrecken lassen sollte man sich daher nicht. Viele Stellenausschreibungen suchen nach dem Idealkandidaten, der berüchtigten „eierlegenden Wollmilchsau“, die es nicht gibt.
Also lieber einmal zu viel bewerben als zu wenig. Nicht bekommen hat man bereits jede Stelle! Dazu ist es immer besser mit einer Absage zu rechnen, als mit einer Zusage. Absagen sollte man sowieso nicht persönlich nehmen, denn sie sind es nicht! Viele Stellen sind bereits vergeben, wenn sie ausgeschrieben werden. Große Firmen filtern inzwischen oft automatisch über Schlüsselworte vor, so dass kein Mensch die Bewerbung – an der man Stunden gearbeitet hat – angeguckt hat. (Was bei quantifizierbaren Studiengängen sicher ganz gut funktioniert, aber nicht, wenn man es mit philologischen Lebensläufen zu tun hat.)
Ferner sind Uni-Theorie und wirtschaftliche Realität leider sehr unterschiedlich. Die ‚best practices‘ aus der Theorie können in großen und auch kleinen Unternehmen oftmals nicht in die bestehenden Prozesse übertragen werden. Also können ‚neue Ideen‘ der Neueinsteiger oftmals nicht umgewandelt werden bzw. fehlt hier und da sicherlich auch der Wille dazu.
Ein ehemaliger Chef von mir sagte dazu: „Ich möchte keine Berufsanfänger, weil diese noch nicht desillusioniert sind.“ Klingt brutal. Damit meinte er: Neueinsteiger konzentrieren sich zu sehr darauf, das Unternehmen zu verbessern, als sich zunächst mit den bestehenden Prozessen vertraut zu machen. Sich erst einmal einzufinden wird in vielen japanischen Unternehmen übrigens sehr groß geschrieben.
Ein Austausch mit Kommilitonen ist hilfreich, um die Erwartungen und Erfahrungen anzugleichen. Netzwerke sind sowieso ein wichtiger Faktor, da – so sagt man – 95% aller Stellen gar nicht erst ausgeschrieben werden!
Und zu guter Letzt sollte man einen Karriere-unabhängigen Motivator haben, um Rückschläge bei der Berufssuche besser verkraften zu können.
5. Kontakte gelten als etwas Unverzichtbares; wie wichtig waren persönliche Beziehungen für das, was Sie heute machen?
Meine erste Festanstellung erhielt ich durch eine Kommilitonin, die auf mich zukam und meinte, „das ist doch was für dich?!“. Alle weiteren Schritte meiner Karriere beruhten letztlich auf dieser einen Gelegenheit. Ich bin der Kommilitonin bis heute dafür dankbar.
6. Können Sie ein paar Hinweise zum Thema Praktika geben und inwiefern Sie außeruniversitäre Tätigkeiten beeinflusst haben?
Zunächst: In meinem Studium waren Praktika nur empfohlen. Für mich war es trotzdem von Anfang an ein Muss, so viel Erfahrung in und mit Japan wie möglich zu sammeln. (Keine Sorge, ich war das erste Mal Ende des 4. Semester in Japan.) Stammtische und Tandems waren hier eine hervorragende Gelegenheit.
Über Kopra.org habe ich das erste Praktikum bei der JDG gefunden. In diesem Rahmen gab es auch einen monatlichen Stammtisch.
Über den Studi-Job am Flughafen später habe ich auch wertvolle Kontakte erhalten und einige der Kommilitonen sind dadurch auch direkt an ihre Anstellungen gekommen.
Darüber hinaus geht Netzwerken! Das klingt vielleicht etwas offiziell und mitunter gezwungen. Doch die berühmte Nommunication, also Kommunikation beim (Alkohol) Trinken, ist tatsächlich eine einfache Art der Netzwerkbildung. Auch wenn man keinen Alkohol trinkt, ist die Aktivität mit der Gruppe eine gute Gelegenheit.
Einzig sollte man sich nicht immer an seine Clique hängen, sondern eben versuchen, auch mit anderen Menschen zu reden. Dazu muss man seine Freunde ja nicht links liegen lassen, sondern wenigstens ein bisschen die Komfortzone verlassen. Man kann sich zum Beispiel vornehmen, am Abend mindestens zehn Minuten mit einer Person zu sprechen, mit der man sonst nichts oder nur wenig zu tun hat. In Japan wird hier übrigens genau aus dem Grund selbst in den eher strengeren Settings oft die Sitzordnung durchmischt.
7. Zu welchem Zeitpunkt wussten Sie, welche Richtung Sie später einmal einschlagen möchten?
Kulturelle Nuancen und Besonderheiten waren für mich schon immer äußerst spannend, wobei ich auch eine hohe Technikaffinität besitze. Trotzdem habe ich mich erst im Anschluss an das Grundstudium (Anfang des 5. Semesters) wirklich mit der Frage beschäftigt. Im Gespräch mit Frau Dr. Wagner habe ich im Anschluss ein ‚technisches Thema‘ mit sozialwissenschaftlichem Hintergrund für meine Magisterarbeit herausgearbeitet.
Ich möchte in erster Linie als Brücke zwischen den Ländern fungieren, daher wollte ich Japan näher kennenlernen (im Studium und dann auch beruflich), und das ist es auch, was für mich heute ein wichtiger Motivator ist.
8. Hat Ihnen der Japanologie-Abschluss dabei geholfen, sich von anderen Bewerbern positiv abzuheben?
Ja, was aber letztlich an der starken Japan-Ausrichtung aller meiner Stellen liegt. Für viele Stellen, auf die ich mich beworben habe, waren dagegen andere Qualifikationen gewünscht. Daher meine ich – wie auch zuvor erwähnt –, dass man insbesondere am Karriereanfang offen sein sollte.
9. Sie haben ja bereits mehrere Jahre Erfahrung in Japan gesammelt – können Sie ein paar Ratschläge zum Thema Auslandsaufenthalt in Japan geben?
Gambatte! Beharrlich sein und nicht aufgeben.
Ich habe eine Reihe erfolgloser Bewerbungen für Praktika in Japan geschrieben, das Stipendium des DAAD habe ich erst beim zweiten Anlauf erhalten. Bei jedem Rückschlag sollte man sich fragen, „was könnte ich das nächste Mal besser machen?“.
Auch kann man versuchen, von den Firmenkontakten Feedback zu erhalten. Hier sollte man nach Möglichkeit das persönliche Gespräch suchen, denn in der Absage-Mail werden – meist aus rechtlichen Gründen – keine greifbaren Aussagen getroffen. Auch die Frage „Was könnten Sie mir empfehlen?“ bringt mehr, als sich auf die Gründe für die Ablehnung zu konzentrieren. Bei Stipendien kann man es tatsächlich nochmals versuchen. Auch Praktika werden neu besetzt. Es gibt (auch nach dem Studium) die Möglichkeit, über Work-and-Travel Visa vor Ort Erfahrung und Kontakte zu sammeln.
10. Was war das Wichtigste, das Sie im Verlauf Ihres Studiums gelernt haben?
Wie zuvor beschrieben, sollte man sich nicht von Rückschlägen demotivieren lassen. Auch einen Motivator zu haben, der nicht von einzelnen Faktoren oder Personen abhängig ist, ist sehr wichtig. Einen Plan B zu haben, kann nie schaden.
11. Hätten Sie rückblickend während Ihrer Studienzeit gerne etwas anders gemacht?
Sicherlich gibt es einige Dinge, die ich hätte besser machen können. Aber ich bin da, wo ich bin, weil ich alles so gemacht habe, wie ich es gemacht habe. Das Wichtige ist in der Gegenwart zufrieden zu sein, das Beste aus dem zu machen, was man hat und aus seinen Verfehlungen zu lernen. Auf Verfehlungen der Vergangenheit rumzureiten und sich elend zu fühlen hilft niemandem. Groucho Marx brachte es sehr treffend auf den Punkt: “Yesterday is dead, tomorrow hasn’t arrived yet. I have just one day, and I’m going to be happy in it.”
12. Wie wichtig sind Ihre Kenntnisse über Japan für Ihre derzeitige Arbeit?
Insbesondere wenn es um das kulturelle ‚Dolmetschen‘ zwischen den japanischen Partnern und deutschen Kollegen geht – das berüchtigte kûki wo yomeru / „die Luft Lesen können“ –, sind die Kenntnisse überaus wichtig. Aber auch persönlich liegt mir auch vieles daran, den Kontakt nach Japan zu halten.
13. Was würden Sie Japanologie-Studierenden heute raten bzw. mit auf den Weg geben wollen?
Das meiste habe ich bereits genannt. Ich würde sagen, die wichtigsten Punkte sind: Die Interaktion mit Japan zu suchen, seine Komfortzone etwas zu verlassen und sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen.
Für die japanische Sprache gilt das gleiche, was ich ausländischen Freunden sage, die nach Tipps Deutsch zu lernen fragen: „Besauft euch!“ Das ist natürlich zugespitzt formuliert, und es geht nicht darum besoffen zu sein! Was ich damit sagen will – und das füge ich natürlich auch hinzu – ist die Hemmungen fallen zu lassen, dass man etwas falsch machen könnte (Komfortzone!). Wie auch bei den Bewerbungen: Besser es einmal probiert zu haben – mit Fehlern – als es gar nicht erst probiert zu haben. Und – der Japanologen-Bonus – es gibt keine netteren Menschen als Japaner, die dann mit Komplimenten um sich werfen, wie hervorragend man doch Japanisch spricht.
Gerne stehe ich bei Rückfragen oder auch einfach zum Erfahrungsaustausch auch persönlich zur Verfügung.